Spielzeit 2007

Das Familienstück
Pettersson & Findus

Familienstück nach den gleichnamigen Kinderbüchern von Sven Nordqvist

Noch nie was vom alten Pettersson gehört? Dann wird es höchste Zeit!

Pettersson, ein etwas verschrobener Bauer lebt mit seiner Katze Findus auf einem kleinen, alten Bauernhof. Aber das Landleben ist bei Pettersson und Findus alles andere als eintönig. Da ist ganz schön viel los: Für Findus muß eine Geburtstagstorte gebacken werden, ein Fuchs mittels Feuerwerk und Gespenst verjagt, ein wilder Stier gebändigt und ein krähender Hahn muß beruhigt werden! Und dann diese Hühner – von den Mucklas ganz zu schweigen!

1984 zeichnete Sven Nordqvist aus einer Laune heraus zum ersten Mal die Figuren Pettersson und Findus. In seinen Bildern hält er nicht nur Situationen fest, sondern erzählt einfallsreiche Geschichten. Deshalb eignen sich seine Vorlagen auch besonders für das Theater, das ja auch (nur) mit bewegten Bildern Geschichten erzählt.

Heute kennt man die Abenteuer vom wunderlichen Pettersson und seinem frechen Findus auf der ganzen Welt. In 29 Sprachen sind die skurrilen und einfallsreichen Geschichten bereits zu haben, und seit 1984 sind von Pettersson und Findus neun Bilderbücher, zwei Sachbücher sowie vier CDs herausgekommen, dazu zwei Kinofilme und eine Fernsehserie. Über fünf Millionen Bücher und CDs mit den verrückten Abenteuern wurden allein bei uns in Deutschland bisher verkauft und damit ist Sven Nordqvist hierzulande sogar erfolgreicher als Astrid Lindgren! Es war also längst an der Zeit, daß dieser Klassiker der Jugendliteratur auch für die Naturbühne der Luisenburg bearbeitet wurde. Jetzt ist es so weit!

Premiere: Mittwoch, 23. Mai 2007

Pettersson: Alfred Schedl
Findus: Katrin Griesser
Hanni: Martina Ambach
Henni: Uschi Reifenberger
Hinni: Silvia Pfändner
Gustavsson, der Nachbar: Holger Matthias Wilhelm
Der Stier: Jürgen Fischer
Der Hahn Caruso: Thomas Weißengruber
Der Fuchs: Jürgen Fischer
Hühner: Anja Franke, Miriam Krist, Antonia Morgenroth, Paula Zeller
Mucklas: Elisabeth Künzel, Sabrina Schricker, Laura Weber, Romina Weiß

Regie: Petra Wüllenweber • Musik: Markus Reyhani • Choreographie: Sebastian Eilers • Bühne: Peter Engel • Kostüme: Heide Schiffer-El Fouly / Kristina Weiß

Regieassistenz: Susanne Ritzal • Inspizienz: Günter Ziegler • Maske: Sabine Tanriyiöver (Chefmaskenbildnerin), Ingrid Hannemann, Christine Schmitt • Kostümabteilung: Heide Schiffer-El Fouly (Leitung), Anja Müller (Kostümassistentin), Günther Biank (Herrengewandmeister), Kristina Weiß (Damengewandmeisterin), Berit Langer, Kerstin Schusser, Andrea Seidel, Martina Krist (Fundusverwaltung) • Requisite: Uwe Schwalbe (Leitung), Bernd Wünsche (Assistenz), Daniela Fröhlich, Florine Vanessa Jungmann (Praktikanten) • Ton: Tobias Busch (Tonmeister), Michael Köwer (Assistenz) • Beleuchtung: Thomas Ködel (Leitung), Andreas Lucas (Meister), Jürgen Dietl, Willi Nowotny, Stefan Pfliegensdörfer, Roland Schuster • Bühnenbetrieb: Christian Wange (Leitung), Solveig Perner (Assistenz), Reinhard Werner, Ralf Winklmüller • Haus- & Bühneninspektion: Anton Freundorfer • Technische Leitung: Werner Moritz • Bauhof: Wolfgang Bienfang, Romuald Dembinski, Wolfgang Hegner, Robert König, Hans Lamla, Gerhard Nelkel, Stefan Prechtl, Karl-Heinz Schmid,Ralf Sommerer, Robert Strohschein, Dieter Thiem, Thomas Tretter

Die Dekoration wurde vom Städtischen Bauhof Wunsiedel hergestellt.

Wir bedanken uns bei der Bergwacht-Bereitschaft Wunsiedel, Herrn Bäcker, für die Einweisung und Unterstützung.

Aufführungsrechte beim Verlag für Kindertheater, Hamburg Aufführungsdauer: ca. 65 Minuten ­ keine Pause

Das Volksstück
Die Bernauerin

Ein bairisches Stück von Carl Orff

Den geschichtlichen Hintergrund des Stückes bildet der jahrzehntelange Machtstreit der Wittelsbacher Herzöge, deren Land in die Herzogtümer Baiern-München, Baiern-Ingolstadt, Baiern-Landshut und Baiern-Straubing-Holland geteilt worden war. Baiern-Straubing wurde nach dem Tod von Johann III. und einem heftigen Erbfolgestreit 1429 unter die drei anderen Herzogtümer aufgeteilt.

In München bangte Herzog Ernst, daß dem Herzogtum Baiern-München das gleiche Schicksal widerfahren könnte. Als Nachfolger kamen nur AdoIph, das kränkliche Söhnchen seines 1435 verstorbenen, gleichberechtigten Bruders Wilhelm in Frage, das mit fünf Jahren starb, und sein einziger Sohn Albrecht. Albrecht, besonders geliebt von seiner italienischen Mutter, wurde vorausschauend auf die böhmische Krone (die er allerdings dann weise ausschlug) am Prager Hof König Wenzels erzogen, der an Üppigkeit und Freizügigkeit Paris in nichts nachstand. Sein Siegel zeigt bezeichnenderweise neben einem der damals üblichen Helmkleinode ein nacktes Weib, das in beiden Händen lange, am Helmschmuck befestigte Ketten hält.

1428 lernte Albrecht in Augsburg die knapp zehn Jahre jüngere, besonders hübsche, anmutige und tugendsame Agnes, Tochter des Baders Kaspar Bernauer, kennen. Das wäre nichts Außergewöhnliches gewesen ­ auch von König Wenzel wird von einer Beziehung zu einer Baderin berichtet, jedoch Albrecht stand zu dieser Liebe und heiratete Agnes 1432 heimlich. Solche „Winkelehen“, die ohne Zeugen und Formalitäten geschlossen wurden, galten trotzdem als nur durch den Tod auflösbar. Diese Lösung wählte Herzog Ernst, denn Kinder aus dieser Ehe mit der „Badhur“ Agnes wären niemals als Thronfolger anerkannt worden und zu einer Annullierung war das junge Paar nicht bereit. Herzog Ernst ließ seine Schwiegertochter, nachdem man Albrecht unter einem Vorwand weggelockt hatte, am 12. Oktober 1435 in der Donau bei Straubing ertränken.

Unser Stück endet, wie schon frühere Vorlagen, die, einem natürlichen Taktgefühl und Gerechtigkeitssinn folgend, die historische Wahrheit verschweigen, mit dem frühen Tod des alten Herzogs. In Wirklichkeit söhnte sich Albrecht, nach einem wütenden Aufbegehren, mit seinem Vater aus und heiratete am Namenstag der heiligen Agnes 1437 Anna von Braunschweig. Mit ihr bekam er zehn Kinder, was die herzogliche Linie Baiern-München aufblühen ließ.

1447 ließ Albrecht die Gebeine der „ehrsamen Frau Agnesen der Pernawerin“ in die Grabkapelle im Friedhof von St. Peter zu Straubing bringen. Jetzt ruht Agnes Bernauer angeblich neben Herzog Albrecht und dessen zweiter Frau in dem von ihm gegründeten Kloster Andechs ­ wo auch Carl Orff beigesetzt wurde.

Orffs „Bernauerin” aus seinem „Bairischen Welttheater” ist wohl die gelungenste Mischung aus Sprache und Musik in der deutschen Dramenliteratur und von Shakespearescher Größe.

Das Schicksal der Augsburger Baderstochter, die nicht Gemahlin des jungen Thronfolgers Albrecht bleiben durfte und aus Gründen der Staatsräson als Hexe in der Donau ertränkt wurde, ist eine auch heute immer noch bewegende Geschichte einer großen Liebe, die keine Chance hat gelebt zu werden.

Die junge Julia Eder, Rosenthal-Nachwuchspreisträgerin 2006, spielt die Agnes Bernauer, ihr Herzog Albrecht ist Heiko Ruprecht vom Bayerischen Staatsschauspiel, und es gibt ein Wiedersehen mit Karl Friedrich in der Paraderolle des 1. Bürgers.

Premiere: Fr, 22. Juni 2007

Agnes Bernauer: Julia Eder
Herzog Albrecht III., Herzog in Baiern und Graf zu Voheburg: Heiko Ruprecht
Der Ansager: Adolf Adam
Der welsche Spielmann: Robert Sellier
Junge Adelige, Albrechts Freunde: Moritz Katzmair, Matthias Lehmann, Thomas Weißengruber, Holger Matthias Wilhelm
Ein Badegast: Hubertus Krämer
Kaspar Bernauer, Bader zu Augsburg, Agnes’ Vater: Jonas Vischer anstelle von Rudolf Waldemar Brem
1. Bürger von Munichen: Karl Friedrich
Bürger: Adolf Adam, Rudolf Waldemar Brem, Werner Eggenhofer, Jürgen Fischer, Hans Fleischmann, Manfred Molitorisz, C.C. Weinberger, Günter Ziegler
Ein Mönch: Gerhard Wittmann
Der Kanzler von Herzog Ernst: Werner Eggenhofer
Hauptmann: Günter Ziegler
Der Richter: Manfred Molitorisz
Hexen: Jürgen Fischer, Moritz Katzmair, Matthias Lehmann, C.C. Weinberger, Thomas Weißengruber, Holger Matthias Wilhelm
Stimme aus den Wolken: Marina Ulewicz
Zwei Gaukler: Silvia Pfändner, Steffi Sembdner

Chor: Vera Braun, Carolin von Edlinger, Elisa Fuchs, Nina Fuchs, Bettina Greiner, Gertrud Hankl, Anna Katharina Hilpert, Elke Hofmann, Helga Hofmann, Andrea Kilgert, Rebecca Kilgert, Lisa Kövi, Corinna Leibl, Gabriela Milosz, Antonia Morgenroth, Lena Müller, Reinhild Pfahler, Brigitte Reichert, Mona Reichert, Katrin Ruhnke, Nina Schachtebeck, Jennifer Schödel, Eva Schödel, Franziska Ulrich; Christian Edel, Johannes von Edlinger, Rudolf Heining, Hans Hösch, Maximilian Kilgert, Hubertus Krämer, Michael Kraus, Wladimir Landsmann, Heinz Petri, Stefan Petri, Erwin Purucker, Dominic Rasp, Reinhard Rögner, Gerhard Rogler, Willi Schöppl, Robert Schricker, Siegfried Schricker, Hartmut Schraml, Hans Stark, René Thoß, Lothar Wollin, Willibald Wunschel

Statisterie: Sabine Gabriel; Julian Clauss, Dieter Höpfner, Partick Kern, Walter Mandl, Bela Meyerhöfer, Jonas Mielke,Max Pohl, Richard Riedl, Klaus Wagner und die Trommler Sven Kahl und Patric Zakrawacz
Thomas Hastreiter (Pauken), Sebastian Jakob (Klavier), Andreas Regler (Percussion)
Hofer Symphoniker
Musikalische Leitung: Henning Kussel
Regie & Bühne: Michael Lerchenberg
Choreographie der Gauklerszenen: Sebastian Eilers
Kostüme: Susanne Thaler
Einstudierung der Chöre: Hubertus Krämer, Willibald Wunschel
Regieassistenz: Christoph Zauner • Inspizienz: Dietmar Irmer • Soufflage: Christa Guck • Maske: Sabine Tanriyiöver (Chefmaskenbildnerin), Ingrid Hannemann, Christine Schmitt • Kostümabteilung: Heide Schiffer-El Fouly (Leiterin), Anja Müller (Kostümassistentin), Günther Biank (Herrengewandmeister), Kristina Weiß (Damengewandmeisterin) • Berit Langer, Kerstin Schusser, Andrea Seidel • Martina Krist (Fundusverwalterin) • Requisite:Uwe Schwalbe (Leiter), Bernd Wünsche (Assistent), Daniela Fröhlich, Florine V. Jungmann (Praktikantinnen) • Ton: Tobias Busch (Tonmeister) • Beleuchtung: Thomas Ködel (Leiter), Andreas Lucas (Meister); Michael Köwer (Beleuchtungsinspizient) • Jürgen Dietl, Willi Nowotny, Stefan Pfliegensdörfer, Roland Schuster • Bühnenbetrieb: Christian Wange (Leiter), Solveig Perner (Stellvertreterin), Anton Freundorfer (Vorarbeiter), Christoph Seel, Reinhard Werner, Ralf Winklmüller • Technische
Leitung: Werner Moritz
Die Dekoration wurde vom Städtischen Bauhof Wunsiedel hergestellt.
Aufführungsrechte beim Verlag Schott, Mainz Premiere: Freitag, 22.Juni 2007
Wir bedanken uns bei der Carl Orff-Stiftung für die Unterstützung und Förderung.

Über die „sehenswerte Inszenierung” mit einem „hoch motivierten Ensemble” schreibt Stefan Voit unter dem Titel „’Die Bernauerin’ als großes Welttheater” in „Der neue Tag”

So sieht es also aus, das Mittelalter, das immer als dunkel beschrieben wurde: Männlein und Weiblein, Arme und Reiche, Jung und Alt, Mönche und Nonnen tummeln sich lebhaft frivol in einem großen Holzzuber und genießen Lust und Laster des Lebens. Eine Badestube ist das prächtige Eingangsbild, das Regisseur Michael Lerchenberg den Premierenzuschauern des „baierischen Stücks” von der „Bernauerin” am Freitag auf der Luisenburg offenbart.

Die Badestube als Ausgangspunkt einer großen Liebesgeschichte zwischen Herzog Albrecht und der Badertochter Agnes Bernauer: Hier funkt es zwischen den beiden, hier beginnt die Komödie, die in einer Tragödie endet.

Mit „Die Bernauerin” hat sich Intendant Lerchenberg nicht nur einen Traum erfüllt, er hat auch den Mut gefunden, das wohl reifste Werk des Komponisten Carl Orff auf die Naturbühne zu bringen. Mit der Kombination zwischen großer Musik – der Orchesterpart wurde mit den Hofer Symphonikern eingespielt und lief Semi-Playback vom Band, der andere Teil wurde live auf der Bühne gespielt – und mittelhochdeutscher-bairischer (Dialekt-)Sprache gelingt ihm großes Welttheater!

Fast auf den Tag genau 60 Jahre nach der Uraufführung des Stücks sehen wir Herzog Albrecht (Heiko Ruprecht), wie sein Herz für Agnes (Julia Eder) entflammt, wie sie gegen alle Widerstände ein Paar werden, heiraten und am Ende doch alles tragisch endet: Der Adelige wird unter einem Vorwand von der Geliebten weggelockt, sie am 12. Oktober 1435 als Hexe in der Donau bei Straubing ertränkt.
Lerchenberg hat den Orffschen Gedanken von einem mittelalterlichen Mysterienspiel weitergetragen und in die Neuzeit mit hineingenommen. Herausgekommen ist dabei ein prächtiges Theaterstück voller Kraft, voller lebhafter Sprache, die tief in die Mystik hineingreift – ein Bilderbogen bayerischer Geschichte par excellence.

Die tragende Rolle spielen der 50-köpfige Chor (Musikalische Leitung Henning Kussel) und die Gaukler (Silvia Pfändner und Steffi Sembner), die, begleitet von großer Musik, tänzerisch erzählend und pantomimisch die Szenen miteinander verbinden. Allerdings treten die Hauptpersonen zu wenig in den Vordergrund, was daran liegt, dass sie kaum zu singen haben und ihr Schwerpunkt ausschließlich auf der Sprechrolle liegt.

Hier wünschte man sich von beiden mehr Präsenz. Es fehlte manchmal an schauspielerischer Ausdruckskraft und Lautstärke. Zu wenig werden die Tiefe der Liebe, der verzweifelte Kampf um Anerkennung und das politische Ränkespiel herausgearbeitet. Die einzelnen Bilder füllt Lerchenberg, der auch für die Bühne verantwortlich zeichnet, mit kraftvollem Leben.
Prall, derb und hitzig wird im Wirtshaus diskutiert, ob die Bernauerin nur eine „Badhur” oder für den Herzog „schon richti” ist, und, in blaues Licht getaucht, verkündet Albrecht, zärtlich-verrückt und poetisch, die Liebe zu seiner „Duchessa”. Beeindruckend auch die Mönchsszene, in der der Geistliche („Garrit gallus, der Gockelhahn kräht!”) das einfache Volk aufstachelt und die Bernauerin zur Hexe tituliert.

Am herausragendsten ist wohl die Hexenszene, in der schaurig geschminkte Wesen mit drei Köpfen das Ende der Bernauerin in einem begeisternden Sprechrhythmus verkünden: „Itzs ham sie’s derpackt! Abgrittne, abgfeimte, bübische Böswichtin.”

Der innigste Wunsch, „Die Bernauerin” auf der Luisenburg zu inszenieren, ist für Lerchenberg Wirklichkeit geworden. Dafür gibt es von einem begeisterten Publikum lange anhaltenden und verdienten Applaus – für eine beeindruckende Inszenierung und für ein hoch motiviertes Ensemble mit über 80 Personen. Von solchen Träumen darf Lerchenberg mehr auf die Naturbühne bringen!.

In der „Frankenpost” schrieb Michael Thumser unter dem Motto „Sehr anders, sehr schön” über die „Wasserspiele im Welttheater”

Im Wasser beginnt und endet diese Liebe. Dem Herzogssohn Albrecht widerfährt sie im Augsburg des Jahres 1428, im Badhaus, wo es weniger sauber als frivol zugeht: Schon beim ersten Blick auf Agnes Bernauer ist ihm „der Blitz ins Herz neigfahrn”. Doch unter Fürsten „wird net lang gfragt nach der Liab”. So schön die Baderstochter aussieht, so untragbar ist sie als Gemahlin eines künftigen Regenten der Dynastie. Verschwinden also muß die „Buhle”, so beschließen die Gebieter der Staatsraison, und Agnes versinkt: In den Fluten der Donau bei Straubing wird sie ertränkt.

„Die Bernauerin” von Carl Orff – was ist das eigentlich? Jedenfalls etwas bislang Ungekanntes auf der Luisenburg; und unbedingt ein Erfolg für die Wunsiedler Naturbühne: Auf ihr feierte die Produktion, zur Saisoneröffnung, am Freitag mit Großartigkeit und Glanz – und unter viel Applaus – Premiere. Aber wie kriegt man es zu fassen, dieses „bairische Stück”: als was? Keinesfalls als Trauerspiel. Dafür ereignet sich viel zu viel bunt Bizarres, bodenständig Burleskes, gleich als famoses Eingangsbild das standesschrankenlose Badvergnügen eines nackten Haufens im dampfenden Riesenzuber, handfest und schamlos. Zwar beschwört der Abend höchst poetisch die Erhabenheit hohen Gefühls – doch gewährt er, deftig volkstümlich, den Leibern ebenso blankhäutige Lust.

Auch ein Schauspiel ist das nicht eigentlich; wiewohl Intendant Michael Lerchenberg, Regisseur und Bühnenbildner in Personalunion, den Augen unablässig Spektakel und Spektakuläres zu schauen gibt, mit akkurat einstudierten Massenszenen und mächtigen Tableaus, durch choreografierte Kleindetails und tänzerische Anmut (für die, das Geschehen parodierend, zwei gewitzte Gaukler stehen: Silvia Pfändner, Steffi Sembdner). Mit musikalischem Theater, weniger opern- als – am Ende – oratorienhaft, hat man’s zu tun: Denn Musik bewegt, durchwogt alles. Vom Band kommt sie, unter Henning Kussel von den Hofer Symphonikern eingespielt, und wird aktuell ergänzt durch die Herren Hastreiter, Jakob und Regler an Klavier und Schlagwerk. Überdies sorgt ein großer Chor für scharf akzentuierte, reich nuancierte tönende Kulissen.

Die Sprache selbst wird zu Musik. Leicht zwar erschließt der Text sich nicht: Historisierend und mundartlich-altbairisch hat Orff ihn in archaische Sagenhaftigkeit entrückt, ihn mit Metaphern angefüllt und rhythmisch stilisiert. Dafür brechen die Akteure die Sprache zum Melos, die Rede zu Klängen auf, zu Wortspiel und Lautmalerei. So darf Agnes ihren Wassertod ruhig in unsichtbarer Ferne erleiden; denn wie in einer Reportage erzählt eine grausige Gruppe von Hexen darüber, eine fantastische Front fischig-vielgesichtiger Geister (Kostüme: Susanne Thaler), die dadaistisch ein Silbengewitter entfesseln, worin voyeuristisches Entsetzen sich beißend mit Zynismus mischt.
„Magische Bilder”… Realismus wäre fehl am Platz. Als Funktions-, Ideen-, Schicksalsträger begreift Regisseur Lerchenberg die Figuren; eine Parabel läßt er sie durchspielen und den verbürgten Stoff märchenhaft aufbrechen. Knorrig und weise nehmen Karl Friedrich und Adolf Adam zur Wirrnis der Zeitläufte Stellung. Gerhard Wittmann als mönchischer Buß- und Haßprediger wiegelt, unten, das Volk auf, gegen Agnes, die „Badhur”, und überhaupt gegen die Unzucht – und meint im Grund jedes Streben nach Glück. Dem Kalkül der Herrschenden, oben, spricht Werner Eggenhofer als Kanzler das Machtwort, unerbittlich und finster wie ein Großinquisitor.

In solchem Welttheater spielen selbst Albrecht und Agnes, die ja doch Oben und Unten verkörpern, kaum mehr als zwei Rollen unter zahllosen anderen. Gleichwohl stellt die Inszenierung sie, im Wortsinn, heraus: Auf einer erhöhten Terrasse findet und vollendet sich ihre Liebe, die eine Lust ist und sich doch so etwas wie Unschuld, kindlich weltenthoben, bewahrt. Albrecht, bei Heiko Ruprecht der Typ des virilen Draufgängers, der „glei oiwei aufs Ganze” geht, er kommt bei seiner „Duchessa” eine Zeit lang zur Ruhe wie im Traum: „Tu mi net aufwecken.” Agnes, das deklassierte Mädchen von der Straße, begreift stolz, nicht für den Baderskittel, sondern den Königsmantel geschaffen zu sein: Zur „hochgemuten, liebmächtigen Frau” läßt Julia Eder die Titelheldin wachsen – und bekennt doch vorausschauend bald, es werde ihr „trübselig zu Sinn, wann ich das Wasser hör rauschen”. Unter sich spürt sie das Rad der Fortuna sich drehen: „Keiner kann bleiben, kein einer.”

Zum Premieren-Ende ist das Wetter kalt geworden und nass. Den Albrecht freilich läßt weder die bayerische Geschichte noch das Schlußbild der „Bernauerin“ im Regen stehen: Herzog – „der Fromme“ – wird er sein, an der Seite einer anderen Frau dynastisch fruchtbar, gewaschen mit allen Wassern der Staatsraison.

Unter dem Motto „Wie aus einem kleinen Gerücht eine Welle an Vorurteilen wird” beschreibt Horst Pöhlmann in der Bayerischen Staatszeitung „Die Bernauerin”

Mit Michael Lerchenberg, seit vier Jahren Intendant der Luisenburg-Festspiele, hat das Musikstück den Weg auf die Naturbühne bei Wunsiedel im Fichtelgebirge gefunden – heuer wird Carl Orffs „bairisches Stück” „Die Bernauerin” gegeben.

Die kurze Liebesgeschichte zwischen der Augsburger Baderstochter Agnes Bernauer und dem bayerischen Thronaspiranten Herzog Albrecht aus der ersten Hälfte des 15. Jahrunderts, die der Staatsraison widerspricht und aus der Sicht der Mächtigen und (allzu) vieler Bürger nur mit der Verunglimpfung und Hinrichtung von Agnes beendet werden kann, wurde von 0rff in besonderer Weise gestaltet. Als Dichter legt er dem Figurendialog und den oratorienhaften Cborszenen eine von altbaierischern Dialekt und mitteIhochdeutschen Wendungen geprägte Kunstsprache zugrunde, der er verbalen Rhythmus und Klang verleiht. Diese bilden auf der kompositorischen Ebene eine innige Ergänzung zu dem charakteristischen Orffschen Schlagwerk und den Bläserelementen.

Die Musik zur Wunsiedler „Bernauerin” wird via Band eingespielt (Hofer Symphoniker) – drei Musiker für Pauken, Klavier und Percussion sind live auf der Bühne. Lerchenberg gelingt es, den fünfzigköpfigen Laienchor, die kleinen Ensembles und die stillen poetischen Monologe der Liebenden straff zu einer Einheit von Text und Musik zusammenzuschweißen.

Aus dem runden Dutzend Einzelszenen der sich vom Genredrama über das politische Kriminalstück zum veritablen Welttheater mausernden Inszenierung gelingen ein paar besonders eindrucksvoll. Im Eingangsbild wird ein mittelalterliches Badehaus als lebensprall dampfend-siedendes Tableau nachgestellt, während die bierdimpfliche Bürgerszene einprägsam demonstriert, wie sich ein kleines Gerücht zu einer Welle an Vorurteilen entwickeln kann. In der Mönchszene agitiert ein an Goebbelssche Demagogie gemahnender Ideologe des Klerus als Volksaufwiegler gegen die „Duchessa” Agnes, die nichts anderes sei als eine „hexerische Badhur”. Schließlich der Höhepunkt der Aufführung: die Mauerschau der Hinrichtung, als Agnes in der Donau bei Straubing ertränkt wird. Sie wird in einem auf dadaistischer wie konkreter Poesie beruhenden Wechselgesang von sechs lemurenhaften, an Zombie-Personal aus Horrorfilmen erinnernden Hexen so intensiv „erzählt”, daß der Zuschauer unwillkürlich eine Gänsehaut bekommt.

Gegen diese expressiven Ensembles hat es das hoch-niedrige Liebespaar (Julia Eder und Heiko Ruprecht) in seinen stillen, meist monologischen Kontrastszenen nicht leicht anzuspielen. Dennoch besticht die Aufführung als ein gelungener Balance-Akt, komplexes und ambitioniertes Musiktheater auf der Felsenbühne zu etablieren.

Der Klassiker
Faust

Schauspiel von Johann Wolfgang von Goethe

Faust, ein Wissenschaftler auf der Suche nach unbedingter Erkenntnis, dem Sinn und dem Glück des Lebens, verbindet sich dafür mit dem Teufel, sprich: Mephisto. Dieser bringt ihm das junge, unschuldige Gretchen. Faust in der Gestalt eines jungen Mannes verführt Gretchen und verläßt sie. An der Frucht dieser „Liebe” zerbricht Gretchen, und da der Teufel seine Hand im Spiel hat, kommt es zur Katastrophe.

Mit Goethes „Faust”, dem berühmtesten Werk des Labyrinth-Wanderers Goethe ibei dessen Niederschrift er nachweislich das Felsenlabyrinth vor Augen hatte, steht nach 1937, ‘39, ‘41, ‘61 und 1990 wieder einmal dieses große Werk der klassischen deutschen Theaterliteratur auf dem Programm, eine gute Tradition auf der Luisenburg. Der „Peter-Stein-Faust”, Christian Nickel, inszeniert, Siemen Rühaak vom Bayerischen Staatsschauspiel gibt den Faust und Kathrin Ackermann spielt die Kupplerin Marthe Schwerdtlein.

Premiere:  Freitag, 13. Juli 2007

Faust: Siemen Rühaak
Mephisto: Peter Kaghanovitch
Margarethe: Elli Wissmüller
Frau Marthe: Kathrin Ackermann

Der Herr: Adolf Adam
Raphael: Elli Wissmüller
Gabriel: Silvia Pfändner
Michael: Frank Wünsche
Wagner: Gerhard Wittmann
Erdgeist: Adolf Adam
Chor der Engel: Elli Wissmüller
Bürger: Michael Boettge
Bürgerin: Kathrin Ackermann
Bettler: Adolf Adam
Pudel: Peter Kaghanovitch
Soldat: Moritz Katzmair
Geister: Silvia Pfändner, Frank Wünsche
Frosch: Michael Boettge
Brander: Gerhard Wittmann
Siebel / Valentin: Moritz Katzmair
Altmayer / Herr: Adolf Adam
Hexe: Frank Wünsche
Lieschen: Silvia Pfändner
Böser Geist: Kathrin Ackermann
Trödelhexe: Frank Wünsche
Die Schöne: Silvia Pfändner
Die Alte: Kathrin Ackermann

Regie: Christian Nickel

Bühne: Ferdinand Wögerbauer
Kostüme: Ferdinand Wögerbauer, Anja Müller
musikalische Beratung und Einstudierung: Henning Kussel
Regieassistenz: Anja Sczilinski • Inspizienz: Günter Ziegler • Soufflage: Caroline Hetényi • Maske: Sabine Tanriyiöver (Chefmaskenbildnerin), Ingrid Hannemann, Christine Schmitt • Kostümabteilung: Heide Schiffer-El Fouly (Leiterin), Anja Müller (Kostümassistentin), Günther Biank (Herrengewandmeister), Kristina Weiß (Damengewandmeisterin) • Berit Langer, Kerstin Schusser, Andrea Seidel • Martina Krist (Fundusverwalterin) • Requisite:Uwe Schwalbe (Leiter), Bernd Wünsche (Assistent), Daniela Fröhlich, Florine V. Jungmann (Praktikantinnen) • Ton: Tobias Busch (Tonmeister) Michael Köwer (Tonassistent) • Beleuchtung: Thomas Ködel (Leiter), Andreas Lucas (Meister) • Jürgen Dietl, Willi Nowotny, Stefan Pfliegensdörfer, Roland Schuster • Bühnenbetrieb: Christian Wange (Leiter), Solveig Perner (Stellvertreterin), Anton Freundorfer (Vorarbeiter), Christoph Seel, Reinhard Werner, Ralf Winklmüller • Technische Leitung: Werner Moritz

Die Dekoration wurde vom Städtischen Bauhof Wunsiedel hergestellt.

DER NEUE TAG meinte zum „Faust” unter dem Motto „gekürzt und doch ganz”:

Wer wünschte sich das nicht: Aus dem Dust des Alltags ausbrechen, die Grenzen der eigenen Existenz einreißen und alles haben können: Vom Himmel die schönsten Sterne und von der Erde höchste Lust. Die Zuschauer, die am 13. Juli die Premiere von Goethes „Faust” auf der Luisenburg miterleben durften, mögen aber eine Ahnung davon erlebt haben, daß die Grenzen und Gefahren des Menschen daran sichtbar werden, daß er die Grenzen nicht anerkennt.

Christian Nickel, der in der legendären 20-stündigen Komplettaufführung beider Teile des Stückes durch Peter Stein selbst die Titelrolle gespielt hatte, ließ sich auf das unendliche Spiel zwischen Text und Interpretation ein und präsentierte mit einem wunderbaren Ensemble den „Faust” sorgfältig gekürzt und dennoch ganz. So wurde das Stück für alle faßbar: Für die, die in legendenhafter Verklärung gewisser Deutschstunden von Zitat zu Zitat taumeln und für jene, die wissen wollen, was uns Goethe in 12.111 Versen an zeitloser Botschaft hinterlassen hat. Und er vergaß nicht, daß der Text des Dichters ohne das historische Element nicht zu vermitteln ist: Die Qual des verzweifelten, an seine Grenzen geratenen Stubengelehrten ebensowenig wie die Tragödie eines Gretchens, das auch nach Pille und § 218er-Diskussion nicht in Jeans gesteckt werden darf.

Siemen Rühaak verbindet in der Verkörperung der Titelrolle in glücklicher Symbiose die historische Figur aus der Mitte des 15. Jahrhunderts mit dem unsterblichen Abbild des Menschen, der, koste es, was es wolle, alles haben will. Wenn aus dem bleichen Gelehrten, der gerade noch vom letzten Schritt zurückschreckt, durch Zauberkraft ein lebenshungriger Mann wird, der es noch einmal wissen will, so ist es doch derselbe Mensch, den Gott dem Teufel zu einem Experiment überläßt.
Schalk, Teufel, Verführer, zynischer Wegbegleiter des Faust ins neue wilde Leben ist ein jenseits aller Vorbilder fantastisch agierender Peter Kaghanovitch als Mephisto. Er lenkt die Geschichte vom verhängnisvollen Schwur des Faust bis in den Kerker hinein, in dem das verführte, zur Mörderin gewordene Gretchen auf seine Hinrichtung wartet.

Elli Wissmüller vermittelt bemerkenswert unromantisch und daher realistisch in der Rolle der Margarethe ein Mädchen, das verführt, letztlich „um schöne Stunden vom Glück getäuscht” wird, wie es Goethe in der Zueignung zum „Faust” formuliert hat. Dennoch können der radikale Zugriff des Faust und die erbarmungslosen Konsequenzen die junge Frau nicht zerstören.

Vollendetes Schauspiel zeigt Kathrin Ackermann als Kupplerin Marthe. Ihre Versuche, selbst den Teufel beim Wort zu nehmen, gehören zu den seltenen humorvollen, geradezu satirischen Elementen in Goethes Dramen. Hochkarätiges Schauspiel bietet das gesamte Ensemble: Michael Boettge als Frosch in „Auerbachs Keller” ebenso wie Silvia Pfändner als Lieschen, Gerhard Wittmann als Famulus Wagner, Moritz Katzmair in der Rolle des Valentin und als Soldat, um nur einige zu nennen.

Muskalische Elemente aus der modernen Popmusik, etwa in der kurz angespielten Walpurgisnacht wirken erfrischend auf die Inszenierung, schaffen Lebensnähe. Die Naturbühne, am Rande die Foliantenstapel der Studierstube, genügt durchaus als Kulisse. Der „Faust” der Luisenburg-Festspiele 2007 kann durchaus in die Reihe der großen Inszenierungen dieses schwierigsten aller Stücke eingeordnet werden. Die Zuschauer spürten das und dankten mit teilweise frenetischem Beifall für den wunderbaren Abend.

In der „Frankenpost” schrieb Kerstin Starke über „Ein Spiel mit drei Dimensionen”:

„Da steh’ ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor”: „Faust I” ist gespickt mit Sentenzen, die längst als Redensarten oder geflügelte Worte Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden haben. Entsprechend bekannt kommt jedem Zuhörer der Text Goethes vor, entsprechend vertraut erscheint ihm „Der Tragödie erster Teil“.

Regisseur Christian Nickel, der das Drama auf das „äußerste erträgliche Maß“ (Intendant Michael Lerchenberg) von zweieinhalb Luisenburg-tauglichen Stunden gekürzt hat, spielt genüßlich mit den Zitaten. Er und mit ihm sein Hauptdarsteller Siemen Rühaak nutzen die vertrauten Wendungen, um das Publikum zu fangen. In einem der Faust-Monologe setzt Rühaak bei „Hier bin ich Mensch” so geschickt eine Pause, daß den Zuhörern gar nichts anderes übrigbleibt, als das fehlende „hier darf ich’s sein” zu ergänzen.

Siemen Rühaaks Faust wandelt sich in diesen zweieinhalb Stunden. Anfangs ist er ein bläßlicher Greis, der im bücherreichen Studierzimmer in einer Art Priestergewand (Bühne und Kostüme: Ferdinand Wögerbauer und Anja Müller) gegen das eigene Streben wettert; vom Wissensdurst Wagners (Gerhard Wittmann) ist er genervt und will an der Welt verzweifeln. Später erscheint er als flotter Spät-Yuppie in hautengen Beinkleidern, der seinem Alter Ego Mephisto willig auf die dunkle Seite folgt.

Peter Kaghanovitch als Fausts Pakt-Partner, angetan mit blutrotem Kummerbund, zeichnet seine Figur als ganz selbstverständlich böse: nicht als vordergründiges Monster, sondern eher verschlagen-hinterhältig. Mephisto nähert sich Faust von scheinbar vertrauter Seite und liefert sich mit ihm, wie in einem intimen Kammerspiel, zunächst ein wortreiches Rededuell, das beide Schauspieler sichtlich genießen: Sie haben den Text für sich erschlossen und zelebrieren ihn nun zur Freude des Publikums.

Und das, wenn man so will, an authentischer Stelle; denn es ist nicht auszuschließen, daß Goethe, der bekanntermaßen mehrmals das Fichtelgebirge und speziell das Felsenlabyrinth bereist und erwandert hat, gerade diese Gesteinsformationen und Geländegegebenheiten im Kopf hatte, als er Szenen wie „Wald und Höhle“ schrieb, wo Faust schwelgt: „Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich. Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, die Riesenfichte stürzend Nachbaräste und Nachbarstämme quetschend niederstreift.” Wenn die Fichte das in Nickels Inszenierung tatsächlich tut, ist das nur ein komisches Detail mehr, das das Publikum köstlich findet.

Nicht minder belustigt verfolgen die Zuschauer das Treiben Gretchens: Elli Wissmüller überzeugt durch konsequent natürliches Spiel; sie tritt außerdem noch im Chor der Engel und als Erzengel Raphael in Erscheinung. Fausts zarte Auserwählte hackt nämlich, während sie hoch auf den Felsen über ihn und seine Wirkung auf sie sinniert („Meine Ruh ist hin“), ganz handfest – und gekonnt – Feuerholz. Regisseur Nickel gelingt es nicht nur in dieser Szene, die Bühnenlandschaft der Luisenburg so zu nutzen, daß die gewaltige Dreidimensionalität der Spielstätte zur Geltung kommt.

Einzige Vertraute in Gretchens ungeheuerer Liebe zu dem Fremden ist für sie die Nachbarin Frau Marthe (Kathrin Ackermann, die ihre Wandlungsfähigkeit später noch als böser Geist und alte Hexe zeigen darf), eine vom Ehemann verlassene kleinbürgerliche Seele, die sich für ein bisschen Schmuck und Schmeichelei gern auch mit dem Teufel einläßt.

Bei nur zweieinhalb Stunden Spieldauer bleibt von einem „Faust I” wohl zwangsläufig nur eine Abfolge der wichtigsten Szenen und Zitate übrig; … ein „Faust light“ ist die Luisenburg-Fassung von 2007 deshalb noch lange nicht. Dafür sorgen schon die exzellenten Schauspieler, aus deren Reihen unter anderem Frank Wünsche als laszive Hexe und der vielseitig begabte Moritz Katzmair herausstechen; Letzterer zeigt sein Talent nicht nur als Soldat, Siebel und Valentin, sondern auch als Musiker an Cello und Tuba. Deshalb gilt auch 199 Jahre nach dem Erscheinen des Stücks: „Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern.”

Gero von Billerbeck (Nordbayerischer Kurier) empfand „Faust” als wunderbares Volkstheater-Stück in dem „der Teufel als Humorist” gezeigt wird:

„Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens gold’ner Baum.” Der Satz, wäre er vorgekommen, hätte als Motto über der „Faust”-Inszenierung stehen können mit der am Freitagabend der Premierenreigen der Eigenproduktionen bei den Luisenburg-Festspielen in Wunsiedel – unter Riesen-Beifall zu Ende ging. Johann Wolfgang von Goethes “Der Tragödie erster Teil” war hier ein leichtfüßiges Stück Volkstheater im besten Sinne des Wortes – sinnenfroh statt kopflastig.

Danach sieht es zunächst nicht aus. „In Brudersphären-Wettgesang” versäuselt ein ätherischer Prolog im Himmel, wo „Der Herr” (Adolf Adam) wie ein unterentwickelter Papst seines Ehrenamtes als Weltenlenker waltet. Und es folgt eine ausführliche Studierstubenszene, in der des Gedankens Blässe vollends die Oberhand gewönne, wenn nicht der Erdgeist mit einem pyrotechnischen Knalleffekt dazwischen rumpelte. Da endlich hat uns die Erde wieder und sie sollte uns den ganzen 2 ½ Stunden langen Premierenabend nicht mehr loslassen. Regisseur Christian Nickel drängt bereits beim kurzen Osterspaziergang auf Tempo, läßt das Volk außen vor und schürft gleich nach des Pudels Kern. Der Hund zieht schon früh seine Kreise um Faust und seinen handfesten, bei seiner Tumbheit ernst zu nehmenden Famulus Wagner (Gerhard Wittmann), hüpft auch mal in die Arme des indignierten Doktors, entblättert sich aber bald zum Mephisto.

Was für ein Pracht-Teufel, dieser Peter Kaghanovitch! Ein Zyniker mit Herz, ein Humorist also! Von Berufswegen kann er als Höllenfürst die Welt nicht leiden; als Privatperson aber liebt und neckt er sie, indem er seine scharfzüngigen Scherze mit ihr treibt. Zudem ist er körperlich ein wendiger, wenn auch windiger Kerl. Gerne hätten wir mit ihm Mephistos erstes Schelmenstück erlebt, aber Nickel schickt uns unter Umgehung der Schülerszene gleich in Auerbachs Keller nach Leipzig. Seine unbefangenen Streich- und Neu-Zusammensetz-Lust beschleunigt meist die Handlung und gewährt ungeahnte Blicke auf Goethes Zentralwerk

Bei Auerbach wird nicht nur gezotet und gesoffen, hier ist auch Platz für die Halbwelt der Walpurgisnacht, in der die Oberhexe beim lasziv-zackigen Tango den Faust strippen kann. Sudentensuff und Hexenspaß sind zwei Seiten derselben Medaille: Die Amüsierlust ist Faustens Sache nicht. Er wendet sich mit Grausen. Und der Regisseur hat wieder Zeit gespart. Z.B. für die große Liebesgeschichte, die sinnes- wie gedankenfroh ausgeschmückt wird. Da ist – natürlich! – Platz für Mephistos wunderbar servierten Seitenhieb auf den guten Schätze-Verdauungs-Magen der Kirche.

Gretchens Kammer verbirgt sich zwar hinter einem gewöhnungsbedürftigen Riesen-Bildschirm, aber Wichtiges findet ohnehin davor statt, etwa wenn die Maid ihr „Meine Ruh’ ist hin” nicht elegisch vor sich hin seufzt, sondern beim Holzhacken – mitsamt den Klötzen der Welt vordie Füße schleudert.
Frau Marthes Garten verströmt mit seinen Wäscheleinen Kleinbürger-Mief, aber zwischen Laken und Bettbezügen können Zwei ihren Damen unter Ausschluß des jeweils Anderen den Hof machen. ein genial-vorsichtiger Mephisto der leicht mannstollen Marthe (Kathrin Ackermann) und ein mordsverliebter Faust dem liebreizend-naiven Gretchen (Elli Wissmüller). Siemen Rühaak ist dieser wenig grüblerische Galan, ein Mensch der Tat und der wohlgesetzten Worte. Er verfügt darüber hinaus auch über eine beredte Körpersprach, wenn er etwa dem Gretchen sein Herz zu Füßen legt.

Lokalpatriotismus kann nicht schaden, findet der Regisseur. In Auerbachs Keller wünscht einer der Saufbolde: „Will einen Wein aus Franken haben, das Vaterland gewährt die besten Gaben”. Und im „Faust” meint Nickel, Anspielungen aus Fichtelgebirge gefunden zu haben. Die müssen, auch wenn sie eher unverständlich daherkommen, auf die Bühne. „Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, / die Riesenfichte stürzend Nachbaräste / und Nachbarstämme quetschend niederstreift”: Das illustriert Nickel mit einem herabstürzenden größeren Weihnachtsbaum-Exemplar. In einer weiteren Faust-II-AnIeihe will er laut Programmheft sogar Bezüge zur Geo-Geschichte der Luisenburg gefunden haben…. Aber Goethe war auch Naturwlssenschaftler. Nach einem Besuch der Luisenburg stellte er eine heute noch gültige Theorie auf… Die kleinen Wunsiedeleien mögen überflüssig sein, schaden tun sie nicht. Der Abend könnte ohne sie kürzer aber kaum schöner sein.

In der „AZ Nürnberg” schreibt Peter Kühn über den „Volltreffer” mit dem „charmanten Teufel, fast zum Knuddeln”:

Die Engel schwenken leicht geschürzt Tüllgardinen. Der Herr, also Gottvater gleicht einem weisen alten zahnlosen Schamanen mit schlohweißer Haarmähne. Die Hexen sind teils Transvestiten mit anrührenden Liedern auf den Lippen („Eine kleine Sehnsucht braucht jeder zum Glücklichsein”) teils frivole Rotlicht-Mädchen die kokett ihre Körper feilbieten und mit dem Teufel kopulieren. In Auerbachs Keller („Uns ist ganz kannibalisch wohl, als wie 500 Säuen”) schuhplatteln Lederhosen-Typen. Und Mephisto wird zum Vampir („Blut ist ein ganz besonderer Saft”).

„Ganz frisch und neu” wollte der junge Burgtheater-Mime Christian Nickel der Tragödie ersten Teil auf die Felsenbühne bringen. Er hat’s geschafft. Es war wirklich modern und doch klassisch schön. Und mit unserem Dichter-Fürsten aus Weimar kann ja eigentlich nichts schief gehen. Diese wundervoll gedrechselten Verse, deutsche Sprache in Hochkultur, zogen das Publikum in den Bann. Dazu hatte der Regisseur ein fabelhaftes Ensemble an der Hand, das – wie er sagt, „den Kampf mit diesen gedrehten, gereimten Sätzen aufgenommen und bestanden hat.” Diese Sätze sind ja auch seit fast 200 Jahren als geflügelte Worte in vieler Munde.

Der hochgelehrte Doktor Faust ist als – höchst umstrittene – Figur historisch verbürgt. In Nürnberg zum Beispiel wurde er 1532 als „großer Sodomit” gescholten. Goethe aber hat ihn mit der Geschichte über seinen Packt mit Mephisto unsterblich gemacht. Dieser Teufel (Peter Kaghanovitch) ist auf der Luisenburg gar nicht so schlimm, geschweige denn dämonisch. Klein von Statur, mit Wohlstands-Bäuchlein, ist er ein Charme-Bolzen, ein „Gottseibeiuns” wie man ihn gern hätte, fast zum Knuddeln. Auf der Luisenburg ist der Teufel Mensch, hier darf er’s sein.

Siemen Rühaak ist als Faust erst ein bleicher, griesgrämiger Bücherwurm im muffigen Talar. Später, nachdem er sich mit Mephisto eingelassen hat und um Gretchen (Elli Wissmüller als reine aber überforderte Magd) buhlt, wird er zum feurigen Galan im Frack, ganz toll vor Liebe.
Das Ende auf der Luisenburg ist „ungerecht, aber nicht hoffnungslos”, wie der Regisseur sagt. Entgegen der Qriginafassung steigt der Herr (Adolf Adam) noch einmal selbst herab auf die Bühne und verkündet der Kindsmörderin Gretchen: „Ist gerettet.” Der Beifall nach zwei Stunden und 30 Minuten fiel frenetisch aus.

Die drei Musketiere

Spektakel von Peter Lüdi und Christian Ewald nach dem berühmten Roman von Alexandre Dumas

Die berühmte und spannende Geschichte von dem jungen Gascogner d’Artagnan, der nach Paris zieht um Musketier zu werden und um die Welt und die Frauen zu erobern. Sofort gerät er in die Intrigen und Kämpfe mit Kardinal Richelieu (Michael Boettge) und Graf Rochefort mit der Meisterspionin Lady de Winter um die wahre Macht im Königreich von Ludwig XIII. und Anna von Österreich, der bezaubernden Königin. Mit seiner Naivität, seinem Mut und seinem unerschütterlichen Glauben an Ideale mischt er die verfiltzten und moralisch verkommenen Strukturen auf und rettet mit seinen Freunden Krone, Ehe und Macht des Königs.

Premiere:  Freitag, 29. Juni 2007

D’Artagnan: Sebastian König
Die Musketiere:
Athos: Manfred Molitorisz
Porthos: C.C. Weinberger
Aramis: Thomas Weißengruber
De Tréville, Hauptmann der Musketiere: Jonas Vischer
D’Artagnans Vater: Werner Eggenhofer
D’Artagnans Mutter: Uschi Reifenberger
Planchet, Diener d’Artagnans: Alfred Schedl
Ludwig XIII., König von Frankreich: Frank Wünsche
Königin Anna: Martina Ambach
Constance Bonacieux, Vertraute der Königin: Elli Wissmüller
Jacques-Michel Bonacieux, ihr Mann, Wirt: Hans Fleischmann für Rudolf Waldemar Brem
Kardinal Richelieu: Michael Boettge
Graf Rochefort: Amadeus Gollner
Jussac, Offizier der Gardisten: Holger Matthias Wilhelm
Gardisten: Moritz Katzmair, Matthias Lehmann
Der Schreiber des Kardinals: Werner Eggenhofer
Lady de Winter: Ana Kerezovic
Kitty, ihre Zofe: Katrin Griesser
Herzog von Buckingham: Heiko Ruprecht
Patrick, sein Butler: Dietmar Irmer
Wirt: Werner Eggenhofer

Musketiere: Frank Fischer, Klemens Pöllmann, Nikolai Schöffel, Fritz Schöpf, Matthias Unger, Tobias Unger
Gardisten: Fabian Bollig, Johannes von Edlinger, Nicolai Haas, Samuel Hoffmann, Andreas Kauer, Moritz Schöpf
Nonnen, Waschfrauen, Hofdamen, Masken: Julia Haas, Myrethe Imre, Miriam Krist, Carina Loos, Waltraud Marschner-Knöller, Krimhild Ragotzky, Maria Röber, Franziska Schierling
Höflinge, Bediente, Masken: Stefan Kirsch, Alfred Maiwald, Richard Riedel, Wilfried Zapfl
Regie: Peter Lüdi
Fecht-Choreographie: Klaus Figge
Bühne: Andrea Fisser
Kostüme: Heide Schiffer-El Fouly

Fecht-Assistenz: Holger Matthias Wilhelm, Regieassistenz: Susanne Ritzal • Inspizienz: Dietmar Irmer • Soufflage: Christa Guck • Maske: Sabine Tanriyiöver (Chefmaskenbildnerin), Ingrid Hannemann, Christine Schmitt • Kostümabteilung: Heide Schiffer-El Fouly (Leiterin), Anja Müller (Kostümassistentin), Günther Biank (Herrengewandmeister), Kristina Weiß (Damengewandmeisterin) • Berit Langer, Kerstin Schusser, Andrea Seidel • Martina Krist (Fundusverwalterin) • Requisite:Uwe Schwalbe (Leiter), Bernd Wünsche (Assistent), Daniela Fröhlich, Florine V. Jungmann (Praktikantinnen) • Ton: Tobias Busch (Tonmeister) • Beleuchtung: Thomas Ködel (Leiter), Andreas Lucas (Meister); Michael Köwer (Beleuchtungsinspizient) • Jürgen Dietl, Willi Nowotny, Stefan Pfliegensdörfer, Roland Schuster • Bühnenbetrieb: Christian Wange (Leiter), Solveig Perner (Stellvertreterin), Anton Freundorfer (Vorarbeiter), Christoph Seel, Reinhard Werner, Ralf Winklmüller • Technische Leitung: Werner Moritz

Die Dekoration wurde vom Städtischen Bauhof Wunsiedel hergestellt.

Die Operette
Das Dreimäderlhaus

Operette von Heinrich Berté
(Gastspiel der Operettenbühne Wien)

Gastspiel der Operettenbühne Wien · am 8. August 2007, zusätzlich am Freitag, 10. August 2007, 15.00 Uhr

Die Oper
Othello

Oper von Guiseppe Verdi

Gastspiel der Landesbühnen Sachsen / Felsenbühne Rathen

Musikalische Leitung: Michele Carulli • Inszenierung: Michael Heinicke • Ausstattung: Stefan Wiel •Choreinstudierung: Sebastian Matthias Fischer

Mit Dilek Geçer als Desdemona, Daniel Magdal als Othello, Grigor Shagoyan als Jago u.a.

Gastspiel der Landesbühnen Sachsen · ab 18. August 2007

Sonderveranstaltungen
Hofer Symphoniker
Konstantin Wecker
Hermann Hesse
Allzu Menschliches – Sachen zum Lachen
Carl Orff: Astutuli
Orff on the rocks

Konzerte & Kabarett

Ein SOMMERKONZERT mit den Hofer Symphonikern

mit Werken von Gioacchino Rossini, Georges Bizet, Pjotr I. Tschaikowski, Nikolai Rimsky-Korsakow u.a.
Montag, 16. Juli 2007, 20.30 Uhr

KONSTANTIN WECKER
KONSTANTIN WECKER

KONSTANTIN WECKER und Band

Montag, 23. Juli 2007, 20.30 Uhr

»HERMANN HESSE – SONGWRITER oder Der Traum vom Lied der Lieder«

Chansons nach Gedichten von Hermann Hesse, von und mit Siemen Rühaak, begleitet von Robert Stöckle

Mittwoch, 18. Juli 2007, 20.00 Uhr

»ALLZU MENSCHLICHES – Sachen zum Lachen«

Karl Friedrich liest Historien, Anekdotisches und Humoriges von Roda Roda, Egon Friedell, Otto Schenk, Heinz Erhardt, Alfred Polgar, Helmut Qualtinger, Karl Valentin u.a.

Samstag, 7. Juli 2007, und Samstag, 28. Juli 2007, jeweils 20.00 Uhr

Astutuli_2007Eine bairische Komödie von Carl Orff, gelesen von Jörg Hube, am Schlagzeug begleitet von Stephan Blum

Freitag, 20. 7., und Freitag, 27. 7., jeweils 20.00 Uhr

»ORFF ON THE ROCKS«

Santana, Carl Orff, Georges Bizet, Maurice Ravel u.a. ­ korrespondierende heiße Rhythmen mitten im Felsenlabyrinth. Der ganze Berg dröhnt! Mit der Schlagzeugklasse der Hofer Symphoniker u.a.

Samstag, 23. 6., 16.00 Uhr, und Sonntag, 24. 6., 18.00 Uhr • Kein zusätzlicher Eintritt

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